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23. September 2012 7 23 /09 /September /2012 12:46

Wer in den 50er und 60er Jahren groß geworden ist, wird sich an viele, auch unschöne Gegebenheiten erinnern. Nicht jedes Kind, dass in dieser Zeit das Licht der Welt erblickt hat, hat auch eine schöne und sorgenfreie Kindheit erlebt. Denn, wer zu der damaligen Zeit, aus welchen Gründen auch immer, in einem Kinderheim oder einem Waisenhaus gelandet ist, wird wissen, wovon in dem nun folgenden Text die Rede sein wird. Viele Heime und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche unterstanden kirchlicher Leitung. Dabei spielt es keine Rolle, ob evangelisch oder katholisch geprägt, hier wurden Kinderseelen im Namen Gottes zerstört und belastet. Was viele, viele Jahre aus dem Blick der Menschen geraten ist, ist durch die Erinnerung ehemaliger Heimzöglinge wieder zutage gefördert worden. Da es hier nicht um Einzelschicksale geht, hat die Regierung irgendwann reagieren müssen. Durch die Tätigkeit des sogenannten „Runden Tisches Heimerziehung“ sind einige der unveröffentlichten Kinderschicksale erstmals erörtert worden.

 

Das Erlittene kann keine Geldsumme vergessen machen

 

Eine Kommission aus Politikern, kirchlichen Würdenträgern und Betroffenen hat den sogenannten Heimkinderfonds ins Leben gerufen. Doch was ist dieser „omminöse“ Heimkinderfonds? Es ist ein Geldtopf, in den mehr oder weniger freiwillig Geldmittel geflossen sind. Gelder von Bund, Ländern und kirchlichen Stellen sind hier zusammengefasst worden. Bei dem Heimkinderfonds geht es um zwei grundlegende Sachen. Zum einen um die Rentenentschädigung für die weit verbreitete Kinderarbeit und zum anderen um die Entschädigungsleistung für erlittenes Unrecht. Doch eines soll hier mal grundsätzlich festgehalten werden, es gibt kaum eine zu benennende Summe, die das erlittene Unrecht wieder gutmachen könnte. Entschädigung heißt hier nur, dass mit geringsten Summen Kinderarbeit und Unrecht an Kindern gemildert werden soll.

 

Die Psyche hat durch Verdrängung den Menschen das Überleben gesichert

 

Was in den einzelnen Heimen und Waisenhäusern passiert ist, möchten wir dem Leser ersparen. Wichtig zu wissen ist eben, dass es zum Teil grausame Vorgänge waren, die die Menschen, die dieses erlebt haben, ihr ganzes Leben beeinflusst hat. Wer damals jung war, ist heute alt. Der Leser fragt sich vielleicht, warum all diese Erlebnisse erst in den letzten Jahren herausgekommen sind? Es ist einfach so, dass viele Menschen, die dieses Unrecht erlebt haben, dass Erlebte verdrängt haben. Die Psyche eines Menschen schützt durch das Vergessen. Im Zuge des Bekanntwerdens seelischer Grausamkeit und sexueller Übergriffe in den sogenannten „Eliteschulen“, hat eine riesige Welle ausgelöst. Lange Zeit haben Kirchenvertreter und Trägerschaften die Existenz dieser Vorkommnisse als fragwürdig hingestellt. Das alles nur, weil eine Entschädigung viele Millionen Euro kosten wird.

 

Die Akten der Kinderheime und Waisenhäuser sind nicht unterhaltsam, sie wecken möglicherweise viele böse Erinnerungen

 

Doch was kann ein ehemaliger „Heimzögling“ heute noch erreichen? Die strafbaren Handlungen von damals sind weitgehend verjährt. Zunächst sollte ein Betroffener versuchen über das zuständige städtische Jugendamt oder das verantwortliche Landesjugendamt seine Heimkinderakten zu bekommen. Im nächsten Schritt muss ein Antrag gestellt werden, auf Mittelzuweisung aus dem Heimkinderfonds. Dieses Prozedere verlangt von den Betroffenen detaillierte Angaben zu machen, in welcher Zeit man wo untergebracht war. Das Zusammenfassen von Daten wird sicher auch die Zündflamme der Erinnerungen hochschnellen lassen. Ein Mensch, der dieses beginnt, sollte unbedingt fachliche Unterstützung haben. Psychologische Praxen und medizinische Psychotherapeuten sind aber jetzt schon hoffnungslos überlastet. Wartezeiten von 6-12 Monaten werden heute schon als kurz bezeichnet. Betroffene, die erlittenes Unrecht irgendwie verarbeiten müssen, sollten gezielt nach einer Traumatherapie suchen. Sicher gibt es auch viele Tausende ehemalige Heimkinder, die im Kinderheim überwiegend Schönes erlebt haben. Dies ist eine Nachricht, die vielleicht ein bisschen positiv stimmt, wenn es den Menschen auch nichts nutzt, die genau andere Erfahrungen machen mussten.

 

Die Antragstellung auf Mittel aus dem Heimkinderfonds sollte auf jeden Fall auf den Weg gebracht werden

 

Welche Dokumente und Angaben für einen Antrag gebraucht werden, teilt das zuständige Landesjugendamt auf Anfrage gerne mit. Sicher braucht es einen langen Atem und viel Kraft, dieses in die Wege zu leiten. Viele Heime, die es einst gegeben hat, sind inzwischen geschlossen. Doch eine Angst wollen wir den Betroffenen vorwegnehmen. Kein Betroffener muss das erlittene Unrecht beweisen. Dies wäre auch gar nicht möglich, da in den Akten natürlich nicht verzeichnet wurde, welche Straftaten an den Kindern begangen wurden. Es gibt aber übereinstimmende Aussagen von anderen Betroffenen, die die eigenen Aussagen belegen und unterstreichen können. Die Vertretungen der Orden und Heimeinrichtungen sind ausgesuchte Juristen oder Psychologen, die eine Kontaktaufnahme mit den ehemaligen Straftätern organisieren sollen. Für die kirchlichen Heime sind natürlich auch die zuständigen Generalvikariate und Bischofsämter zuständig. Für die freien Heimeinrichtungen sind es die jeweiligen Kostenträger, die heute als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wir, als Autoren können nur dazu ermuntern, Betroffenen dazu zu raten, tätig zu werden.

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9. Juni 2012 6 09 /06 /Juni /2012 06:16

Was macht der Mensch mit seinem Leben? Aktive Lebensplanung ist gar nicht möglich. Denn das Leben ist doch nur so möglich, wie es das Schicksal für uns vorsieht. Man denkt immer nur, dass sein Leben so wird, wie man es gestaltet, falsch gedacht, denn es ist doch so, dass alles so kommt, wie es das Schicksal will. Wie ich darauf komme? Das Ergebnis meines Lebens ist, was mich sicher macht, dass es das Schicksal als unheimliche Macht wirklich gibt. Es ist in meinem Leben soviel passiert, dass es ständig auf und abwärts ging.

 

Mein Leben geriet häufiger in eine Schieflage

 

Ja so war es immer in meinem Leben, ich habe irgendwann gedacht, jetzt geht es aufwärts, dann passierte irgendwas und es war alles wieder Mist. Schon noch, bevor mein Leben richtig begann, war alles Mist. Dann nach meinem Zivildienst wollte ich einen neuen beruflichen Weg einschlagen. Ich hatte so viele Schwierigkeiten gemeistert den Schulabschluss nachgeholt und einen Ausbildungsplatz in einer Pflegeschule sicher und dann passierte es, ich wurde krank, der Rücken machte die Belastung der Kranken- oder Altenpflege nicht mehr mit. Dies war einer meiner schwersten Rückschläge. Denn nach vielen Behandlungen in einer orthopädischen Rheumaklinik war klar, dass ich wohl nie wieder richtig gesund werden würde.

 

Krankenhäuser von innen habe ich mehr gesehen, als mir lieb war

 

An die vielen Krankenhausaufenthalte schloss sich die erste Reha an. Ich musste nach Norddeutschland in eine Rehaeinrichtung. Nach der sechswöchigen Reha ging es mir schlechter als jemals zuvor. Mein unterer Rücken war extrem entzündet, sodass ich kaum noch laufen konnte. In der Folge musste ich immer Tabletten oder Spritzen bekommen. Meine Berufsausbildung, aber auch meinen Job im Altersheim konnte ich mir abschminken. Ich wurde lange krankgeschrieben, aber danach sollte es so nicht enden. Nach einem Suizidversuch, ich hatte einfach genug vom Leben, habe ich noch mal meine Berufsplanung aufgenommen.

 

Das Arbeitsamt drängte mich zu einer längst überholten Ausbildung

 

Das Arbeitsamt wurde als zuständiger Leistungsträger festgestellt. Ich durchlief einige Lehrgänge und Maßnahmen, die mich auf einen Beruf im Büro vorbereiten sollten. Nach einigen Monaten musste ich dann die Ausbildung als Bürokaufmann in einem Berufsförderungswerk aufnehmen. Dass zu der Zeit schon längst keine Bürokaufleute mehr gesucht wurden, hat man mir aber allerdings verschwiegen. Doch musste ich die Ausbildung nach einem Viertel der Zeit abbrechen, denn ich konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht so lange in der Schule sitzen. Nach einigen Krankenhausaufenthalten und einer erneuten Reha habe ich dann die Ausbildung noch mal neu angefangen.

 

Das Schicksal war mein eigentlicher Lebensplaner

 

Diese und andere Rückschläge oder Schicksalsschläge hatte ich mehrfach in meinem Leben zu verzeichnen. Aber ich will den geneigten Leser nicht langweilen. Als Fazit muss ich heute ziehen, es nützt nichts, sein Leben zu planen. Denn alles, was man plant, wird letztendlich vom Schicksal möglicherweise vernichtet. So wie es bei mir gelaufen ist, wird es sicher auch bei Anderen laufen oder es gibt Menschen, denen das Schicksal gnädiger ist. Auf jeden Fall ist in meinem Leben soviel schiefgelaufen, mehr als, dass es richtig gelaufen ist. Auch wenn ich sicher für meine Verhältnisse mehr erreicht habe, als man es mir prognostizierte. Schlussendlich musste ich mein geändertes Leistungsvermögen annehmen, auch wenn es mir extrem schwergefallen ist.

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26. Dezember 2011 1 26 /12 /Dezember /2011 17:25

Viele von Euch haben sicher gelesen, dass meine Geschwister und ich in Kindertagen oft in den verschiedensten Kinderheimen untergebracht waren. Nun wird von jedem Heimkind eine Akte angelegt. Lange Zeit hielt ich es nicht für möglich, dort heute noch Einblick nehmen zu können. Erst durch meine Aktivitäten der eigenen Vergangenheitsrecherche und meiner Mitgliedschaft bei heimkinder-forum.de wurde mir bekannt, dass man sogar ein Anrecht darauf hat, seine Heimkinderakten einsehen zu dürfen.

 

Der RTH musste die Empfehlung geben, die Heimkinderakten von den Betroffenen einsehen zu lassen

 

Es gibt eine Einrichtung der Bundesregierung, die sich „Runder Tisch Heimerziehung“ nennt. Darunter ist eine Expertenkommission zu verstehen, die sich mit dem Thema Misshandlung ehemaliger Heimkinder aus den 60er und 70er Jahren in Westdeutschland beschäftigt. Hier wurde den Landesjugendämtern empfohlen, die Archive der Heimkinderakten zu öffnen. Wer also in dieser Zeit, wie ich ein Heimzögling war, kann beim zuständigen Landesjugendamt Akteneinsicht beantragen. Allerdings geht dies nur auf diesem Wege, wenn das Landesjugendamt und der jeweilige Landschaftsverband auch Kostenträger der Unterbringung war.

 

Die ehemaligen Kostenträger der Heimunterbringung haben eine Mitarbeitsverpflichtung

 

In meinem Fall habe ich Glück im Unglück gehabt. Denn ich war sowohl in der sogenannten Freiwilligen Erziehungshilfe (FEH) als auch in der Fürsorgeerziehung (FE) in verschiedenen Heimen untergebracht, deren Kostenträger der Landschaftsverband Westfalen Lippe gewesen war. Ich hatte lang gezögert, ob ich diesen Schritt wirklich gehen wollte, doch eine realistische Aufarbeitung meiner Vergangenheit, als Heimzögling, ist ohne Akteneinsicht kaum möglich. So habe ich nach Recherche der zuständigen Stelle einen schriftlichen Antrag auf Akteneinsicht gestellt.

 

Verwaltung und sozialer Dienst des Landesjugendamtes sind erstaunlich hilfsbereit

 

Der für mich zuständige Verwaltungsmitarbeiter des LWL teilte mir kürzlich per E-Mail mit, dass tatsächlich mehrere Heimakten beim LWL im Archiv gelegen haben. Meine Vorstellung war bisher, dass ich diese Akten in Kopie zugeschickt bekäme. Doch das Prozedere läuft leider oder Gott sei Dank, anders ab. Die Verwaltungsstelle hat die Akten an den Sozialen Dienst im gleichen Hause weitergegeben. Auch mit dieser Stelle nahm ich schriftlich Kontakt auf. Überraschenderweise erhielt ich kurzfristig von der Mitarbeiterin eine Stellungnahme zu der Vorgehensweise.

 

Was in den Akten steht, muss ein Hammer sein

 

Laut der Sozialarbeiterin erlaube es der Berichtstil der damaligen Zeit nicht, die Betroffenen mit ihren Akten ohne Hilfestellung allein zu lassen. Konkret wird es für mich jetzt so laufen. Ich habe einen Termin im Januar, an dem ich mich persönlich zum Verwaltungsgebäude des LWL begeben werde. Dort werde ich mich mit der zuständigen Sozialarbeiterin zusammensetzen, um den vermutlich sehr krassen Inhalt meiner Akten zu besprechen. Auch eine andere Vorgehensweise wurde vorgeschlagen. Wenn ich eine Therapeutin oder einen Therapeuten hätte, wäre es möglich gewesen, durch Einverständniserklärung meine Akten dort hin senden zu lassen. Doch dieser Schritt war mir nicht möglich, denn zurzeit habe ich keinen Therapieplatz.

 

Nur ein Teil meiner Akten ist beim LWL vorhanden - doch lieber einen Teil aufdecken, als komplett im Ungewissen zu bleiben

 

Wenn ich nun das Gespräch im Landesjugendamt haben werde, bekomme ich die Gelegenheit eine Kopie meiner Akten anschließend mit nach Hause zu nehmen. Leider werden diese Akten nur einen Teil meiner Heimzeit abdecken. Was die Zeit der privaten Unterbringung in Heimen betrifft, so muss ich noch recherchieren, wo diese Akten liegen. Sicher werden die kirchlichen Einrichtungen nicht so kooperativ sein, wie das Landesjugendamt. Wenn jemand unserer Leserschaft selbst betroffen ist, so kann ich nur empfehlen, sobald Ihr bereit seid, Euch eurer Vergangenheit zu stellen und ebenfalls die Möglichkeit der Akteneinsicht zu nutzen.

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