Wer in den 50er und 60er Jahren groß geworden ist, wird sich an viele, auch unschöne Gegebenheiten erinnern. Nicht jedes Kind, dass in dieser Zeit das Licht der Welt erblickt hat, hat auch eine schöne und sorgenfreie Kindheit erlebt. Denn, wer zu der damaligen Zeit, aus welchen Gründen auch immer, in einem Kinderheim oder einem Waisenhaus gelandet ist, wird wissen, wovon in dem nun folgenden Text die Rede sein wird. Viele Heime und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche unterstanden kirchlicher Leitung. Dabei spielt es keine Rolle, ob evangelisch oder katholisch geprägt, hier wurden Kinderseelen im Namen Gottes zerstört und belastet. Was viele, viele Jahre aus dem Blick der Menschen geraten ist, ist durch die Erinnerung ehemaliger Heimzöglinge wieder zutage gefördert worden. Da es hier nicht um Einzelschicksale geht, hat die Regierung irgendwann reagieren müssen. Durch die Tätigkeit des sogenannten „Runden Tisches Heimerziehung“ sind einige der unveröffentlichten Kinderschicksale erstmals erörtert worden.
Das Erlittene kann keine Geldsumme vergessen machen
Eine Kommission aus Politikern, kirchlichen Würdenträgern und Betroffenen hat den sogenannten Heimkinderfonds ins Leben gerufen. Doch was ist dieser „omminöse“ Heimkinderfonds? Es ist ein Geldtopf, in den mehr oder weniger freiwillig Geldmittel geflossen sind. Gelder von Bund, Ländern und kirchlichen Stellen sind hier zusammengefasst worden. Bei dem Heimkinderfonds geht es um zwei grundlegende Sachen. Zum einen um die Rentenentschädigung für die weit verbreitete Kinderarbeit und zum anderen um die Entschädigungsleistung für erlittenes Unrecht. Doch eines soll hier mal grundsätzlich festgehalten werden, es gibt kaum eine zu benennende Summe, die das erlittene Unrecht wieder gutmachen könnte. Entschädigung heißt hier nur, dass mit geringsten Summen Kinderarbeit und Unrecht an Kindern gemildert werden soll.
Die Psyche hat durch Verdrängung den Menschen das Überleben gesichert
Was in den einzelnen Heimen und Waisenhäusern passiert ist, möchten wir dem Leser ersparen. Wichtig zu wissen ist eben, dass es zum Teil grausame Vorgänge waren, die die Menschen, die dieses erlebt haben, ihr ganzes Leben beeinflusst hat. Wer damals jung war, ist heute alt. Der Leser fragt sich vielleicht, warum all diese Erlebnisse erst in den letzten Jahren herausgekommen sind? Es ist einfach so, dass viele Menschen, die dieses Unrecht erlebt haben, dass Erlebte verdrängt haben. Die Psyche eines Menschen schützt durch das Vergessen. Im Zuge des Bekanntwerdens seelischer Grausamkeit und sexueller Übergriffe in den sogenannten „Eliteschulen“, hat eine riesige Welle ausgelöst. Lange Zeit haben Kirchenvertreter und Trägerschaften die Existenz dieser Vorkommnisse als fragwürdig hingestellt. Das alles nur, weil eine Entschädigung viele Millionen Euro kosten wird.
Die Akten der Kinderheime und Waisenhäuser sind nicht unterhaltsam, sie wecken möglicherweise viele böse Erinnerungen
Doch was kann ein ehemaliger „Heimzögling“ heute noch erreichen? Die strafbaren Handlungen von damals sind weitgehend verjährt. Zunächst sollte ein Betroffener versuchen über das zuständige städtische Jugendamt oder das verantwortliche Landesjugendamt seine Heimkinderakten zu bekommen. Im nächsten Schritt muss ein Antrag gestellt werden, auf Mittelzuweisung aus dem Heimkinderfonds. Dieses Prozedere verlangt von den Betroffenen detaillierte Angaben zu machen, in welcher Zeit man wo untergebracht war. Das Zusammenfassen von Daten wird sicher auch die Zündflamme der Erinnerungen hochschnellen lassen. Ein Mensch, der dieses beginnt, sollte unbedingt fachliche Unterstützung haben. Psychologische Praxen und medizinische Psychotherapeuten sind aber jetzt schon hoffnungslos überlastet. Wartezeiten von 6-12 Monaten werden heute schon als kurz bezeichnet. Betroffene, die erlittenes Unrecht irgendwie verarbeiten müssen, sollten gezielt nach einer Traumatherapie suchen. Sicher gibt es auch viele Tausende ehemalige Heimkinder, die im Kinderheim überwiegend Schönes erlebt haben. Dies ist eine Nachricht, die vielleicht ein bisschen positiv stimmt, wenn es den Menschen auch nichts nutzt, die genau andere Erfahrungen machen mussten.
Die Antragstellung auf Mittel aus dem Heimkinderfonds sollte auf jeden Fall auf den Weg gebracht werden
Welche Dokumente und Angaben für einen Antrag gebraucht werden, teilt das zuständige Landesjugendamt auf Anfrage gerne mit. Sicher braucht es einen langen Atem und viel Kraft, dieses in die Wege zu leiten. Viele Heime, die es einst gegeben hat, sind inzwischen geschlossen. Doch eine Angst wollen wir den Betroffenen vorwegnehmen. Kein Betroffener muss das erlittene Unrecht beweisen. Dies wäre auch gar nicht möglich, da in den Akten natürlich nicht verzeichnet wurde, welche Straftaten an den Kindern begangen wurden. Es gibt aber übereinstimmende Aussagen von anderen Betroffenen, die die eigenen Aussagen belegen und unterstreichen können. Die Vertretungen der Orden und Heimeinrichtungen sind ausgesuchte Juristen oder Psychologen, die eine Kontaktaufnahme mit den ehemaligen Straftätern organisieren sollen. Für die kirchlichen Heime sind natürlich auch die zuständigen Generalvikariate und Bischofsämter zuständig. Für die freien Heimeinrichtungen sind es die jeweiligen Kostenträger, die heute als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wir, als Autoren können nur dazu ermuntern, Betroffenen dazu zu raten, tätig zu werden.